(Foto: Bundesheer/Alexander Haiden)
(Foto: Bundesheer/Harald G. M. Minich)
(Foto: Bundesheer/Rainer Zisser)
(Foto: Bundesheer/Bernhard Struger)
Das Bundesheer bietet Jugendlichen mit einer österreichischen Staatsbürgerschaft seit den 1980er-Jahren insgesamt 40 verschiedene Lehrberufe an. Diese erstrecken sich vom Waffenmechaniker über Sattler bis zum forstwirtschaftlichen Facharbeiter. Die Ausbildungsstellen sind über das ganze Bundesgebiet verteilt.
Die Lehrlinge erhalten in ihrem jeweiligen Fachbereich und in den militärischen Grundlagen eine umfassende Ausbildung. Dabei stehen das praxisorientierte Lernen und die Entwicklung
beruflicher Fertigkeiten im Vordergrund. Die Ausbildung erfolgt durch erfahrene Fachkräfte und Lehrlingsausbilder. Nach Abschluss der Lehre haben die Absolventen die Möglichkeit, im
Bundesheer zu bleiben oder in die Privatwirtschaft zu wechseln. Die Berufswahl ist oft eine schwierige Entscheidung. Beim Bundeheer besteht daher die Möglichkeit, an den „Berufspraktischen
Tagen“ in einen der zahlreichen Lehrberufe
hinein zu „schnuppern“.
Der Lehrstellenmarkt in Österreich wird mit diesem Angebot entlastet und schafft für das Bundesheer kompetenten Nachwuchs für den Eigenbedarf. Dafür schloss das Bundesheer Verträge mit Unternehmen der Privatwirtschaft und ein Firmenpool ist entstanden. Immer wieder ergeben sich Kontakte, die den Lehrlingen ihren späteren Einstieg in die zivile Arbeitswelt erleichtern. Um eine Karriere als Lehrling beim Bundesheer zu starten, ist es nicht notwendig, zuvor Soldat gewesen zu sein. Der Einstieg als Lehrling beim Bundesheer ist ab der neunten Schulstufe möglich, auch Quereinsteiger sind willkommen. Vor Beginn der Ausbildung findet in den Prüfzentren Wels und Wien eine Lehrlingstestung statt. Dabei werden die grundlegende Betriebs- und Berufsschultauglichkeit festgestellt. Danach findet direkt an der angestrebten Ausbildungsstelle eine weitere Überprüfung statt.
Seit 2008 besteht die Möglichkeit, parallel zur Lehre kostenfrei die Berufsmatura zu absolvieren. Durch die Einführung der Berufsreifeprüfung (BRP) wurde die duale Ausbildung aufgewertet, weil mit der Berufsreifeprüfung in Österreich das im Berufsleben erworbene Praxiswissen mit schulischem Theoriewissen formell gleichgestellt wurde. Dieses Ausbildungskonzept „Lehre und Matura“ stellt begabte und motivierte Jugendliche nicht länger vor die Wahl, sich zwischen einer Berufsausbildung und einer höheren Schulbildung entscheiden zu müssen. Beides kann hier optimal vereint werden. Besonders junge Menschen, die praktisch veranlagt, begabt und gleichzeitig an Allgemeinbildung interessiert sind, finden hier einen Weg, Berufs- und Schulalltag gemeinsam für die Zukunft zu nutzen. Mit der Ausbildungsform „Lehre und Matura“ erhalten Lehrlinge das nötige Rüstzeug für die berufliche und private Zukunft. Die Matura ist dabei ein wichtiges Standbein. Sie wertet die fachliche Qualifikation auf und öffnet die Tür zu neuen Berufs- und Karrierechancen. Damit ist nicht nur ein Zuwachs an Allgemeinwissen und qualifiziertem Fachwissen verbunden, sondern wird auch die Berechtigung erworben, ein Studium zu beginnen. Auf diese Weise kann die Lehre auch zum Sprungbrett für eine weiterführende akademische Karriere werden.
Die Berufsmatura umfasst insgesamt vier Teilprüfungen. Verpflichtend sind die Fächer Deutsch und Mathematik, hinzu kommen eine lebende Fremdsprache (Englisch) sowie ein Fachbereich, wobei sich der Fachbereich auf das erlernte Berufsfeld der Lehrlinge beziehen muss. Drei Teilprüfungen können vor der Lehrabschlussprüfung absolviert werden, die letzte Teilprüfung darf man jedenfalls erst nach der Lehrabschlussprüfung und nach Vollendung des 19. Lebensjahres ablegen. Die Lehrzeit kann im Einvernehmen zwischen Ausbildungsbetrieb und Lehrling (bzw. dessen Erziehungsberechtigten) verlängert werden. Die Möglichkeit dafür ist im Berufsausbildungsgesetz gegeben (max. 18 Monate). Eine Verlängerung ist jedoch für den Besuch eines Vorbereitungslehrganges nicht zwingend. Ebenso sind Alternativangebote, die außerhalb der Arbeitszeit liegen, von den Trägerorganisationen vorzusehen.
Nicht nur auf die Ausbildung im Fachbereich wird Wert gelegt, es werden auch allgemein Themen über die Struktur des Bundesheeres vermittelt. Die Lehrlinge werden im Zuge der Lehrlingstage/Lehrlingssporttage einmal im Jahr österreichweit zusammengezogen und in folgenden Bereichen geschult:
Eine Besonderheit ist es, dass jeder Bedienstete beim Bundesheer mit der Dienstrechtsprüfung A3, A2, A1 befähigt ist, im Fachbereich als Lehrlingsausbilder tätig zu sein. Des Weiteren werden seitens der Heeresunteroffiziersakademie zwei Fortbildungsseminare pro Jahr angeboten, um die Lehrlingsausbilder in den folgenden Themenbereichen zu schulen. Diese sind:
Für jene Bediensteten, die eine Karriere als Lehrlingsausbilder anstreben und noch keine Dienstrechtsprüfung abgelegt haben, besteht die Möglichkeit, die Ausbildung zum Lehrlingsausbilder am Wirtschaftsförderungsinstitut oder Berufsförderinstitut gegen Kostenersatz zu absolvieren.
Die Heereslogistikzentren (HLogZ) sind die größten Lehrlingsausbildungsbetriebe im Bundesheer. Die über das gesamte Bundesgebiet verteilten HLogZ sorgen für die Lagerung und Versorgung des Bundesheeres mit Bedarfsgütern. Einzelne Zentren sind dabei auf verschiedene Aufgaben spezialisiert. Diese umfassen die Wartung und Instandhaltung von Fahrzeugen und Panzern oder von Alpinausrüstungen und Waffensystemen.
Das Heereslogistikzentrum Wien ist für die Systembearbeitung, die Materialerhaltung und für die Kampfwertsteigerung von militärischen Geräten verantwortlich. Die Versorgungsgüter werden für die im Einsatz befindlichen Soldaten ebenso wie lebensnotwendige Hilfsgüter für Katastropheneinsätze im In- und Ausland bereitgehalten, zur Entsendung vorbereitet und zugeführt.
Das Heereslogistikzentrum Klagenfurt ist Kompetenzzentrum für Projektingenieure und Techniker in den Bereichen Waffen, Kfz- und Panzermotoren, Hydraulik, Elektronik, Schlosserei, Dreherei, Tischlerei, Sattlerei und Lackiererei. Spezialisten betreuen das Heeresfernmelde- und -datennetz und überprüfen sowie warten die Funksysteme der Auslandskontingente des Bundesheeres.
Das Heereslogistikzentrum Salzburg steuert und kontrolliert die zugeordneten Rüstungsmaterialien, führt die Systembetreuung durch und ist für das Qualitätsmanagement und die Arbeitssicherheit verantwortlich.
Das Heereslogistikzentrum St. Johann in Tirol ist spezialisiert auf die Wartung und Instandsetzung der Feldküchen sowie der gesamten Feldkoch- und Alpingeräte. Im hauseigenen Tischlereibetrieb werden zudem Möbel angefertigt.
Das Heereslogistikzentrum Wels ist das technische Prüfzentrum des Bundesheeres. Die Mitarbeiter prüfen Motoren, Einzelkomponenten und Materialien. Der Aufbau und die Wartung von Fernmelde- und Informationstechnologienetzen gehören ebenso zu den Aufgabenbereichen wie die Wartung und Reparatur von elektronischen Anlagen.
Das Heereslogistikzentrum Graz managt die Materialerhaltung von Waffen-, Fahrzeug- und Fernmeldesystemen unter betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Techniker des Logistikzentrums werden regelmäßig im Ausland bei Ersteinsätzen für den Aufbau von Kommunikations- und EDV-Stationen herangezogen.
Am Heereslogistikzentrum Wien werden zurzeit 25 Lehrlinge ausgebildet. Am Beispiel der Lehrberufe Sattler und Metalltechniker wird die dreijährige Ausbildung nun anschließend beschrieben.
In der Sattlerei sind derzeit sechs Facharbeiter sowie ein Lehrling im ersten Lehrjahr tätig. Im Mittelpunkt der Ausbildung im ersten Jahr stehen die Neuanfertigung von Planen jeglicher Art (hauptsächlich Planen in diversen Ausführungen für die elektrisch fernbedienbare Waffenstation – EFWS) sowie deren Instandsetzung (Planen von „Pinzgauer“, Puch G, Unimog U-4000, Steyr 12M-18, VW-Pritsche). Des Weiteren werden Tapezierungen, Polsterungen, Sitzbezüge, Fußmatten, Türverkleidungen, Dachhimmel und Ähnliches bei den sich im Heeresbestand befindlichen Fahrzeuge instandgesetzt. Die Prototyperstellung, Neuanfertigung und Instandsetzung von diversen Taschen (Waffen- und Zelttaschen etc.) für die Truppe fallen ebenfalls in die Tätigkeiten der Sattlereiwerkstätte. Weitere Aufgaben sind die Anfertigung von Gast- und Ehrengeschenken laut Katalog (z. B. Auskleiden und Polstern von Behältnissen mit Samt) und die Instandsetzung und die Überprüfung auf Wirtschaftlichkeit von Tarnnetzen. Die Instandsetzung der persönlichen Ausrüstung (Rucksacktragesysteme, Kampfwesten, Spatentaschen, Hüftgurte, Außentaschen in jeglicher Größe, Trosssäcke), der im Bundesheer tätigen Soldaten, gehört ebenfalls zu den Arbeiten in der Sattlerei. Des Weiteren zählen außergewöhnliche Anfertigungen wie die Innenauskleidung des „Escape Room“ (siehe Artikel in diesem Heft Seite 20) in Zusammenarbeit mit den restlichen Werkstätten und der Direktion 6, die Anfertigung von Stellungsfähnchen, Abspannseilen, Personendummys, Polstertüren, Trageriemen hellbraun für die Garde (Handnaht nötig) und von vielem mehr zu den speziellen Tätigkeiten der Sattler.
Im ersten Lehrjahr liegt der Fokus auf der Grundausbildung. Hier werden vor allem die händische Bearbeitung sowie die Werkzeuge und Hilfsmittel der Metallbearbeitung gelehrt. Die Ausbildung findet großteils in der Lehrwerkstätte statt. Auch das Anfertigen von einfachen Zeichnungen und Skizzen wird dem Lehrling beigebracht.
Im zweiten Lehrjahr liegt der Fokus auf der maschinellen Fertigung. Am Beginn steht die Sicherheitsunterweisung, bei der auf die Gefahren bei der Verwendung der Maschinen eingegangen wird. Anschließend werden die Grundprinzipien der Bearbeitung nähergebracht. Durch die Bearbeitung von Übungsstücken wird das zuvor erlernte theoretische Wissen praktisch angewendet. Zahlreiche Übungsstücke fördern die praktischen Fertigkeiten unter fachlicher Aufsicht. Des Weiteren wird das Wissen in der Vergütung von Werkstücken durch hohe Temperaturen vermittelt. Dies geschieht durch praktisches Erlernen von unterschiedlichen Härteverfahren. Zusätzlich werden andere Oberflächenvergütungsverfahren theoretisch beigebracht, wie beispielsweise Verchromen, Eloxieren, Lackieren und Oberflächenhärten. Auch die Manipulation des Gefüges mit hohen Temperaturen ist Teil der Ausbildung, was besonders für die Bearbeitung von dickwandigen Teilen gebraucht wird.
Im dritten Lehrjahr liegt das Hauptaugenmerk auf dem Kennenlernen anderer Werkstoffe. Dabei werden die Vor- und Nachteile ihrer Bearbeitung behandelt. In der heutigen Zeit werden oft einzelne Teile aus verschiedenen Werkstoffen hergestellt. Diese Einzelteile können aus Kunststoff, Buntmetallen oder Spezialstählen gefertigt sein. Hierbei werden das mechanische Verständnis und die Materialeigenschaften vermittelt, um den richtigen Werkstoff für den entsprechenden Verwendungszweck zu finden. Die Bedienung von CNC-Maschinen wird eingehend behandelt, um eine präzise Fertigung zu gewährleisten. Diese Art von Werkzeugmaschinen ermöglicht, eine hohe Stückzahl eines Gutes bei gleichbleibender Genauigkeit zu produzieren. Dafür wird zunächst umfangreiches theoretisches Wissen vermittelt. Erst nach dem Erwerb gründlicher Kenntnisse über die Steuerung einer CNC-Maschine kann das Gelernte praktisch angewendet werden. Ebenso lernen die Lehrlinge die Prinzipien der Pneumatik und Hydraulik.
Eine Lehre beim Bundesheer eröffnet zahlreiche Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Zusätzlich bringt diese dem Bundesheer kompetenten Nachwuchs für den Eigenbedarf. Besonders die Heereslogistikzentren sind die Ausbildungsstätten der künftigen Fachkräfte. Einmal im Jahr im Spätsommer werden österreichweit alle Lehrstellen ausgeschrieben und sind in der JOB-Börse des Bundes zu finden. Interessierte können schon vorher die Möglichkeit ergreifen, an den „Berufspraktischen Tagen“ in einen der Lehrberufe hinein zu „schnuppern“, sich zu informieren oder sich der Lehrlingstestung unterziehen.
Amtsdirektor Bernhard Struger; Referent für Projekt- und Systembearbeitung sowie der Gesamtkoordination der Lehrlingsausbildung am Heereslogistikzentrum Wien
Lehre beim Bundesheer